
Wenn Läden zu Showrooms werden und der Kauf trotzdem online passiert – was bedeutet das für die Zukunft des Handels?
Es gibt Erlebnisse, die lassen sich nur in einem physischen Store erfahren:
– Die Haptik eines edlen Stoffes.
– Das Gewicht einer Luxusuhr am Handgelenk.
– Die persönliche Beratung beim Kauf eines Schmuckstücks.
Doch die Realität sieht oft anders aus. Viele gehen in einen Laden, lassen sich inspirieren – und bestellen dann online.
Ist der stationäre Handel also nur noch ein teurer Marketingkanal?
Persönliche Erfahrung: Warum Zalando am Ende gewinnt
Neulich war ich auf der Suche nach neuen Frühlingsoutfits. Also ab zu Massimo Dutti – einer Marke, die ich grundsätzlich mag.
Doch kaum im Laden angekommen, stellte sich Frustration ein:
– Die Anordnung? Unübersichtlich.
– Die Atmosphäre? Überfordernd.
– Die Beratung? Kaum vorhanden.
Ich probierte einige Teile an, war aber unsicher. Also tat ich, was viele tun: Ich bestellte sie bei Zalando.
Warum? Weil Zalando mir Komfort und Sicherheit bot.
– Alle Grössen auf einen Blick.
– Kein Risiko
– unkomplizierte Rückgabe.
– Bequem von zu Hause aus shoppen.
Das ist kein Einzelfall. Omnichannel-Kunden – also Kunden, die sowohl online als auch offline shoppen – geben im Schnitt 30 Prozent mehr aus als reine Online-Kunden. Doch viele Händler schaffen es nicht, diese Käufer in ihren eigenen Ökosystemen zu halten.
Das Zalando-Dilemma: Gewinner oder Getriebener?
Während Zalando für viele Konsumenten die erste Wahl ist, sieht die Situation für Händler anders aus. Ich habe selbst mit Zalando verhandelt und festgestellt, dass das Geschäftsmodell für Händler oft herausfordernd ist.
– Geringe Margen: Zalando strebt bis 2028 eine bereinigte EBIT-Marge von 6–8 Prozent an, was auf knappe Gewinnspannen hindeutet. (corporate.zalando.com)
– Hohe Retourenquoten: In der Modebranche können Rücksendequoten bis zu 75 Prozent erreichen, was die Rentabilität weiter belastet. (sueddeutsche.de)
– Markenverwässerung: Der starke Preiswettbewerb auf der Plattform kann die Markenidentität schwächen.
Diese Faktoren machen die Zusammenarbeit mit grossen Online-Plattformen für Händler oft zu einer Gratwanderung. Während Zalando und Co. um digitale Dominanz kämpfen, stehen Luxusmarken vor einem anderen Dilemma: Sie leben von Exklusivität – doch Exklusivität und Online-Handel sind nicht immer leicht zu vereinen. Cartier ist ein perfektes Beispiel dafür.
Luxusmarken und die Frage: Online oder stationärer Handel?
Ich suchte einen Ring von Cartier – aber schnell wurde klar:
– In Bern? Nicht verfügbar.
– In Zürich? Vielleicht.
– Online? Kein Problem – mit kostenlosem Rückversand.
Was ist also die Strategie? Will Cartier mich in den Laden ziehen oder ist ihnen Online doch lieber?
Viele Luxusmarken befinden sich in genau diesem Spannungsfeld. Einerseits wollen sie die Exklusivität ihrer Stores bewahren. Andererseits wissen sie, dass der Kunde Bequemlichkeit erwartet. Doch kann ein Luxusprodukt online die gleiche Wertigkeit vermitteln wie im Store?
Manche Händler beweisen, dass Omnichannel erfolgreich sein kann. Orell Füssli zum Beispiel zeigt, dass stationärer Handel und digitale Bestellmöglichkeiten Hand in Hand gehen können.
Orell Füssli: Ein Buchhändler, der Omnichannel versteht
Zwei englische Bände der Dragon Ball-Reihe? Online nicht zu finden. Also spontan zu Orell Füssli.
Kaum zwei Minuten im Laden, spricht uns eine freundliche Mitarbeiterin an. Mein Sohn erklärt unser Problem, und sie zückt direkt ihr iPad.
„Kein Problem, ich kann sie bestellen. Sollen wir sie liefern oder möchten Sie sie abholen? Falls sie nicht passen, können Sie sie im Laden gleich wieder zurückgeben.“
So einfach, so effizient.
Während viele Buchhandlungen ums Überleben kämpfen, zeigt Orell Füssli, dass Omnichannel im stationären Handel eine echte Zukunftsstrategie sein kann. Während andere Handelsbranchen noch mit Online-Konkurrenz hadern, gelingt es Orell Füssli, digitale Prozesse mit stationärem Service zu verbinden.
Was macht den Unterschied?
– Sofortige Verfügbarkeit prüfen
– online und stationär.
– Flexibles Bestellen mit Wahl zwischen Abholung und Lieferung.
– Persönliche Beratung statt anonymer Suchleiste.
Genau so geht Omnichannel richtig.
Das Retail-Dilemma: Finanzieren wir den stationären Handel bald aus dem Marketingbudget?
Immer mehr Marken investieren Millionen in Stores, die weniger verkaufen – sondern mehr erlebbar machen.
– Louis Vuitton und Rolex: Die Stores sind Marken-Statements, nicht klassische Verkaufsorte.
– Tesla zeigt, dass stationäre Präsenz nicht zwingend für den Verkauf nötig ist – doch die Marke kämpft heute mehr mit Elon Musks Image als mit echten Showrooms.
– Apple: Die Stores sind Orte der Inspiration, aber viele Kunden kaufen am Ende online.
Was heisst das für den Handel? Wer zahlt für diese teuren Flächen, wenn der Umsatz online passiert?
Fazit: Die Zukunft gehört den Mutigen
Der Handel verändert sich. Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell.
– Die grossen Marken müssen sich entscheiden: Online oder Offline – oder ein echtes Omnichannel-Erlebnis?
– Die kleinen Händler müssen mutig sein. Denn ohne digitale Präsenz wird es schwer, zu überleben.
– Und wir als Kunden? Wir müssen uns fragen, wie viel uns echte Stores noch wert sind.
Denn wenn wir immer nur im Laden stöbern – und dann online kaufen – werden wir irgendwann nur noch online shoppen können.
Wie erlebst du den stationären Handel heute? Gibt es Läden, die dich begeistern – oder solche, die dich frustrieren? Schreib deine besten oder schlechtesten Erlebnisse in die Kommentare.
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